Teilprojekt D: Beweistheoretische Semantik
Projektleiter:
Prof. Dr. Peter Schroeder-Heister
Universität Tübingen
Wilhelm-Schickard-Institut für Informatik
Sand 13
72076 Tübingen
Tel.: 07071/29-74284
Fax: 07071/67540
email:
schroeder-heister@uni-tuebi
ngen.de
Mitarbeiter:
Dr. Reinhard Kahle
- email: kahle@informatik.uni-tuebingen.de(kahle@informatik.uni-tuebingen.de)
N.N.
Zusammenfassung
Alternativ zur klassischen Semantik der logischen Folgerung, die auf dem
Begriff der
Wahrheit
in einer
mengentheoretischen Struktur
aufbaut, soll eine erkenntnistheoretische Konzeption entwickelt werden,
die auf den Begriff des
Beweises
oder der
Widerlegung
in
bezug auf
atomare Deduktionsstrukturen
zurückgreift. Diese
Konzeption beruht (A) auf Inversionsprinzipien, die es erlauben, aus
gegebenen Konstruktionsprinzipien für Beweise oder Widerlegungen neue
Information zu gewinnen, (B) auf der Idee von logikunabhängigen
strukturellen Annahmen, welche die Form des erhaltenen Folgerungsbegriffs
wesentlich mitbestimmen. In Teilprojekt A wird im Anschluß an eine
systematische Erfassung der bislang vorgeschlagenen Inversionsprinzipien
eine Definition von Folgerungsrelationen basierend auf einem Prinzip der
"definitorischen Reflexion" unternommen, in Teilprojekt B wird die
Abhängigkeit der erhaltenen Systeme von strukturellen Grundannahmen
untersucht. Die Durchführbarkeit des geplanten Programms wird als
Testfall dafür angesehen, wie weit erkenntnistheoretisch orientierte
Ansätze im Bereich der Semantik tragfähig sind. Hat das Projekt
den erhofften Erfolg, sollen die entwickelten Ideen in der zweiten
Projektphase (ab Januar 2000) zur Modellierung intensionaler Logiken
verwendet werden, die einen bevorzugten Anwendungsfall philosophischer
Semantiken darstellen.
Ziele
Der Begriff der logischen Folgerung ist der zentrale logische Begriff der
Semantik. Daher wird er in das Zentrum des Projekts gestellt. Im Hinblick
auf die Signifikanz des Folgerungsbegriffs innerhalb der logischen
Semantik unterscheiden sich klassische und beweistheoretische Konzeption
nicht.
Die definientia des Folgerungsbegriffs sind jedoch nach klassischer und
beweistheoretischer Konzeption grundsätzlich verschieden. Diese
Unterschiede liegen im wesentlichen in drei Punkten:
1. An die Stelle des Wahrheitsbegriffs bzw. des Begriffs der Erfüllung
tritt der Begriff eines Beweises bzw. eines schematischen Beweises. Dabei
ist der Begriff des Beweises nicht als Herleitung in einem formalen System
zu verstehen.
2. Die zugrundegelegten atomaren Strukturen sind verschieden. Nach
klassischer Konzeption handelt es sich um Bereiche mit mengentheoretisch
verstandenen Prädikaten und Relationen. Nach beweistheoretischer
Auffassung wählt man Bereiche, deren Struktur durch
(material-)deduktive Beziehungen auf atomarer Ebene gegeben ist, z.B.
durch eine Abschlußoperation.
3. Die Übertragung des Gültigkeitsbegriffs von atomarer auf
komplexe Ebene verwendet verschiedene Prinzipien. Nach klassischer
Konzeption benutzt man in der Regel eine mengentheoretische Metasprache,
den Begriff der Wahrheit oder Gültigkeit unter einer Belegung der
freien Variablen über einem Individuenbereich sowie die Idee der
Wahrheitskonservierung bei der Folgerung. In der beweistheoretischen
Semantik definiert man die Gültigkeit von Argumentstrukturen durch die
Inversion von kanonischen Beweisen; diese Definition tritt an die Stelle
der Definition materialer Wahrheit.
Diese Unterschiede sind im Projekt herauszuarbeiten, wobei im Detail die
verschiedenen Varianten einer beweistheoretischen Semantik zu diskutieren
sind. Die Untersuchungen zu den Punkten 1 und 3 erfordern vor allem
Überlegungen von Inversionsprinzipien in der Logik, die Untersuchungen
zu Punkt 2 vor allem die Erörterung des Verhältnisses von Logik
und Struktur. Daher gliedert sich das Projekt in zwei Teilprojekte:
A) Inversionsprinzipien in der Logik
B) Logik und Struktur
Folgende Punkte sollen im ersten Teilprojekt bearbeitet werden:
-
Zusammenfassende Darstellung bisheriger Ansätze zu
Inversionsprinzipien und Prüfung von deren semantischer Tauglichkeit
-
Beweise versus Widerlegungen
-
Definitorische Reflexion
-
Nichtfundierte Begriffsbildungen
Folgende Gesichtspunkte gehören zum zweiten Teilprojekt:
-
Atomare Strukturen
-
Die Strukturabhängigkeit logischer Regeln
-
Erweiterungen substruktureller Logiken
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